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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 26 W 98/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 888 |
Gründe:
Die Parteien schlossen im vorliegenden Verfahren am 02.02.2007 einen Vergleich, in dem sich die Gläubigerin unter anderem verpflichtete, an den Schuldner bis zum 31.03.2007 einen Betrag von 960.000,- € zu zahlen; dem Schuldner seinerseits oblag es unter anderem, die Klage in dem Verfahren 2-7 O 443/04 zurückzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vergleiches wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2007 (Bl. 412 ff d.A.) Bezug genommen.
Trotz entsprechender Aufforderung nahm der Schuldner in der Folgezeit die Klage zunächst nicht zurück bzw. erklärte mit Schriftsatz vom 15.02.2007 die Rücknahme der Klage unter der Bedingung des Eingangs der von der Gläubigerin geschuldeten Zahlung. Darauf hin beantragte die Gläubigerin die Festsetzung eines Zwangsgeldes. Nachdem der Schuldner durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.03.2007 die Klage in dem Verfahren 2-7 O 443/04 unbedingt zurücknahm, erklärten die Parteien das Vollstreckungsverfahren für erledigt. Das Landgericht hat sodann durch Beschluss vom 20.04.2007 dem Schuldner die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er ist der Auffassung, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe; nach den gesamten Umständen der Einigung zwischen den Parteien habe die Klage erst nach Eingang der von der Gläubigerin geschuldeten Zahlung zurückgenommen werden sollen. Zudem sei auch die bedingte Rücknahme wirksam gewesen. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 20.07.2007 nicht abgeholfen.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß §§ 91 a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 Ziffer 1, 569 Abs. 1, 2 ZPO statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig, und in der Sache auch begründet.
Nachdem die Parteien das Vollstreckungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Das Landgericht hat diese unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen dem Schuldner auferlegen, da er ohne das erledigende Ereignis bei streitigem Fortgang des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. An dieser Bewertung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgehalten werden.
Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Erklärung, zu deren Erteilung der Schuldner sich in dem Vergleich verpflichtet hat, eine unvertretbare Handlung darstellt, deren Durchsetzung grundsätzlich nach § 888 ZPO zu erfolgen hatte. Verpflichtet sich nämlich eine Partei in einem Vergleich zur Abgabe einer Willenerklärung, findet § 894 ZPO keine Anwendung; in diesem Fall ist die Vollstreckung nach § 888 ZPO zu betreiben (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 894 Rz. 3; BGHZ 98, 127). Soweit allerdings der Schuldner glaubte, die Erklärung der Klagerücknahme von der Zahlung des von der Gläubigerin geschuldeten Betrages abhängig machen zu können, findet diese Auffassung keine Stütze in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleich. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Regelung in Ziffer 5 des Vergleiches war die Verpflichtung zur Rücknahme der Klage an keine weitere Voraussetzung geknüpft, mithin sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Umstände, die eine vom Wortlaut abweichende Auslegung dieser Vereinbarung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Gerade weil ein Teil der wechselseitigen Verpflichtungen mit einer Zeitvorgabe versehen war (Ziffern 2 und 3), andere hingegen nicht, ist davon auszugehen, dass der Wortlaut der jeweiligen Regelungen dem tatsächlichen Willen der Parteien entsprach. Damit stand dem Schuldner aber wegen seiner Verpflichtung zur Erklärung der Klagerücknahme kein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die von der Gläubigerin geschuldete Zahlung zu. Die mit Schriftsatz vom 15.02.2007 erklärte Klagerücknahme war ungeachtet der Frage ihrer Wirksamkeit schon deshalb keine geeignete Erfüllungshandlung, weil der Gläubiger eine unbedingte Erklärung schuldete.
Gleichwohl war die Gläubigerin nicht zur Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen berechtigt, insoweit fehlte es bereits an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, das auch bei der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich vorliegen muss (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., vor § 704 Rz. 17). Verpflichtet sich eine Partei in einem Vergleich bzw. einer sonstigen vertraglichen Regelung zur Rücknahme einer Klage in einem anderen Verfahren, hat diese Erklärung zwar noch nicht die unmittelbare Wirkung des § 269 ZPO. Jedoch hat das Gericht, wenn die Vereinbarung von der begünstigten Partei in dem betreffenden Verfahren eingewandt wird, eine abredewidrig weiterbetriebene Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 269 Rz. 3; BGH, NJW 1984, 805 m.w.N; NJW-RR 1987, 307 ). Die zitierten Entscheidungen beziehen sich zwar jeweils auf eingelegte Rechtsmittel, indes hat der Bundesgerichtshof in seiner Begründung ausdrücklich auf Vereinbarungen zur Rücknahme von Klagen oder Rechtsmitteln abgestellt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass diese Fälle gleich zu behandeln sind.
Vor diesem Hintergrund fehlt einer Klage auf Erfüllung des Rücknahmeversprechens regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis (Zöller, a.a.O., Rz. 32 vor § 128). Soweit das Rechtsschutzbedürfnis für Klagen auf Abgabe einer Willenserklärung bejaht wurde, handelte es sich um Willenserklärungen, die nicht auf die Rücknahme einer Klage bzw. eines Rechtsmittels gerichtet waren (vgl. BGHZ 98, 127). In diesen Fällen kam der allgemeine Grundsatz zum Tragen, dass einem Gläubiger trotz Vorliegens eines Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage nicht verwehrt werden kann, wenn hierfür nach Lage der Dinge ein verständiger Grund dargelegt wird (vgl. BGHZ 98, 127 m.w.N.; vgl. auch die Nachweise bei Zöller-Greger, a.a.O., vor § 253 Rz. 18 a). Insoweit wird zu Recht darauf abgestellt, dass der Gläubiger, der die Abgabe einer Willenserklärung aufgrund eines Prozessvergleiches verlangen kann, damit schlechter steht als der Gläubiger, dem ein solches Recht durch Urteil zugesprochen ist, weil dieses nach § 894 ZPO die verlangte Erklärung ersetzt. Deshalb wird es als sachgerecht erachtet, dem Gläubiger diesen einfacheren Weg zur Erreichung seines Zieles - Abgabe der Willenserklärung - neben dem Weg über § 888 ZPO offenzuhalten (vgl. BGH, a.a.O).
So liegt der Fall hier indes nicht, da die Gläubigerin das mit der Abgabe der Willenserklärung verfolgte Ziel, nämlich die Beendigung des Verfahrens, nicht nur über eine Handlung des Schuldners, die Erklärung der Klagerücknahme, erreichen konnte, sondern selbst durch Einführung der entsprechenden Einigung in das Streitverfahren herbeizuführen in der Lage war. In dieser Konstellation besteht aber für den Gläubiger weder ein Rechtsschutzbedürfnis, sich einen Titel zur zwangsweisen Durchsetzung einer Rücknahmeerklärung zu verschaffen noch aus dem Titel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Vollstreckung zu betreiben. Grundsätzlich bedarf es nämlich auch im Vollstreckungsverfahren eines Rechtsschutzbedürfnisses für den Gläubiger, das fehlt, wenn der Gläubiger kein schutzwürdiges Interesse an der Vollstreckungsmaßregel bzw. das mit der Vollstreckung verfolgte Ziel auch auf einfacherem und kostengünstigeren Weg erreichen kann (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, vor § 704 Rz. 17).
Die Gläubigerin hätte ihr Ziel, in dem Verfahren 2-7 O 443/04 nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, ohne Weiteres durch Vorlage des in dem Verfahren 2-20 O 12/06 geschlossenen Vergleiches erreichen können; irgendwelcher Vollstreckungsmaßnahmen bedurfte es nicht. Soweit Sie darauf abstellt, mit der Zwangsvollstreckung habe man einem Ziel des Vergleichs, nämlich die kurzfristige Realisierung der Kostenerstattung an die Gläubigerin, eher Rechnung tragen können, lässt sich ein Rechtsschutzbedürfnis ebenfalls nicht feststellen. Denn allein mit der Anordnung des Zwangsgeldes ist noch nicht die geschuldete Willenserklärung abgegeben. Das Verfahren nach § 888 ZPO ist zeitraubend und kostenträchtig, sein Ergebnis unsicher, wie auch das vorliegende Verfahren zeigt (vgl. auch BGHZ 98, 127). Erhebt der Gläubiger die Einrede der vereinbarten Klagerücknahme im Streitverfahren, kann das Gericht ohne weiteres eine Entscheidung treffen, die dem Gläubiger unmittelbar eine Kostenerstattung ermöglicht. Diese Vorgehensweise ist daher im Zweifel schneller und erfolgversprechender.
Nach alldem war die angefochtene Entscheidung auf die sofortige Beschwerde des Schuldners abzuändern und der Gläubigerin die Kosten, und zwar auch die des Beschwerdeverfahrens, aufzuerlegen (§§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§§ 574 Abs. 1. Nr. 2, Abs. 2, 3 ZPO). Die entscheidungserhebliche Ausgangsfrage, nämlich die Wirkung einer Vereinbarung über eine Klage- bzw. Rechtsmittelrücknahme hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf der Anwendung einer allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung im Einzelfall. Es handelt sich mithin nicht um eine klärungsbedürftige Frage, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO; wertbestimmend für das Beschwerdeverfahren sind nach der übereinstimmenden Erledigung des Verfahrens in der Vorinstanz nur die dort angefallenen Kosten aus einem Streitwert von 3.723.034,71 €.
Ende der Entscheidung
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